Du hast mit deinem letzten Posting den Nagel auf den Kopf getroffen.
Ich versuche das Prinzip von Annehmen und Loslassen an einem Beispiel zu erklären, das mir vor vielen Jahren geholfen hat, ein abscheuliches Gefühl los zu werden. Es ging um Einsamkeit.
Mitten unter Menschen, sogar in meiner eigenen Familie, fühlte ich mich einsam, mutterseelenallein. Ich war nicht allein, ich fühlte mich aber alleine. Ich war auch nicht einsam, ich war verheiratet, hatte einen Job, war rund um die Uhr beschäftigt und hatte das Gefühl mutterseelenallein und einsam zu sein. Begriffen habe ich das nicht. Es tat weh, es sägte, nagte, bohrte, stach, seelisch, nicht körperlich. Es war das unangenehmste Gefühl, das ich je kennen gelernt habe. Die Gefühle Angst und Panik kannte ich auch, aber die vergingen ja wieder. Die Einsamkeit blieb.
Ich erzählte meiner Therapeutin, einer Psychologin, davon und fragte, wie man damit umgeht und ob man diesen abscheulichen Zustand irgendwie wieder los werden kann. Sie gab mir den Rat, die Einsamkeit als meine Freundin zu begrüßen, sie zu Kaffee und Kuchen einzuladen, mich zu freuen, dass sie endlich mal wieder da sei, sie solle sich bei mir wohlfühlen und so lange bleiben, wie sie das wolle. Ich sollte das solange machen, wie ich dieses Gefühl von Einsamkeit spürte und immer dann, wenn ich es spürte. "Machen Sie das, wenn Sie alleine sind, denn Sie sollten laut sprechen, aber wenn Sie noch sichtbare Gäste haben, zweifeln die vielleicht an Ihrem Verstand."
An dem Verstand zweifelte ich bereits, aber noch nicht an meinem, sondern an dem meiner Therapeutin. Aber, sie war die Psychologin, ich war bei ihr, weil ich psychologischen Rat brauchte. Ich nahm den Rat an und tat, was sie mir empfahl...
Wenn ich alleine war, lud ich die Einsamkeit, die mich gerade wieder besuchte, ein zu Kaffee und Kuchen. Ich unterhielt mich mit ihr, sie gab keine Antwort, ob ihr der Kaffee und der Kuchen schmeckte, weiß ich nicht, sie sprach nicht mit mir, ich sah sie auch nicht, ich fühlte sie. Das dauerte eine ganze Weile, so rund 2 Wochen einmal täglich, dann war sie weg. Sie kam nie wieder...
Analog schafft man das vielleicht mit den Gefühlen aus uralten Verletzungen, aus Wunden, die wieder aufgebrochen sind, weil jemand - völlig ahnungslos - ein uraltes Trauma zum aufbrechen gebracht hat, also mit den Gefühlen Trauer, Wut, Hass, Verzweiflung .. Eine Gruppensitzung? Man kann sie ja vielleicht alle zusammen zum Kaffee einladen...
Mit der Einladung zu Kaffee und Kuchen nimmt man sich ihrer an, man nimmt sie an, so wie sie sind, die Gefühle. Sie sind noch ein Weilchen da und dann gehen sie hoffentlich wieder, wenn es geht für immer, denn wir wollen uns des Lebens freuen, es ist kurz. Gelitten haben wir lange genug, finde ich.
Ergänzung zum besseren Verständnis:
Jede Situation ist mit minimal einem Gefühl verbunden. Wenn man sich über etwas ärgert, fühlt man Ärger, es kann auch Wut, sogar Hass und manchmal auch Verzweiflung sein. Es kann auch Trauer sein.
Familie wäre eigentlich ein Anlass zu Freude, leider ist sie oftmals ein Anlass, sich zu ärgern, wütend zu werden, zu verzweifeln, zu trauern, weil man so viele Jahre in Unfrieden und Ärger miteinander verbringt, statt sich miteinander zu freuen.
Die Situation bleibt die gleiche, nichts zu machen. Man geht langfristig an den Folgen belastender Gefühle auf den Körper kaputt, man wird krank. Ärger, Wut, Hass, Verzweiflung, Trauer 'zerfressen' den Menschen im Laufe der Jahre innerlich, wenn es kein starkes Gegengewicht an Freude gibt.
Man nimmt sich der Gefühle aus den Situationen an, sie sind da, sie dürfen da bleiben, so lange sie wollen und immer wieder kommen, man freut sich, sie zu haben, sie machen lebendig und, wenn sie endlich wieder gegangen sind, ist man frei, von diesen entsetzlich unangenehmen Gefühlen, die ihren Ursprung in schrecklichen Situationen haben, die man nie erleben wollte.
Annehmen und Loslassen ...
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